„Wir setzen Zeichen – für eine gerechte Welt"– Sternsingen in St. Nikolaus Interview mit Dorothea Mähner, Theresa und Eva Spielmann

Seit Kindesbeinen seid ihr jedes Jahr in der ersten Jännerwoche als Sternsinger von Haus zu Haus unterwegs. Es ist die weltweit größte Aktion von Kindern für Kinder. Was gibt euch die Motivation?

Dorothea: Bei uns hat es Tradition mitzumachen. Wenn du nicht dabei bist, vermisst du ́s. Du triffst Leute, entdeckst in versteckten Hinterhöfen St. Nikolaus immer wieder neu. Und es macht Spaß, Gutes zu tun!
Eva: Es ist schön, wie sich viele freuen, wenn wir alle Jahre wieder kommen. Manche sind erst verschlossen, spenden aber dann doch, weil sie merken, es ist eine gute Aktion.
Theresa: Für mich ist es ein Ausgleich zu meiner beruflichen Arbeit. Egal, ob als Sternsingerin oder als ihre Begleitperson, es ist immer wieder eine schöne Erfahrung. Du stehst an einer Haustür und bist gespannt, wer wird öffnen: altbekannte Nikolauser oder sehen wir neue Gesichter?

Wenn ich euch sehe, seid ihr prächtig gekleidet und tragt auch einiges mit. Wie bereitet ihr euch aufs Sternsingen vor?

Theresa: Wir laden die Kinder und Jugendlichen aus unserer Pfarre zum Vorbereitungstreffen ein. Dieses Jahr kommt die Sternsingerbeauftragte der Diözese zu uns, Nora Eberharter. Ende Dezember feiern wir mit Bischof Hermann den großen Aussendungsgottesdienst – heuer in Jenbach. Und dann gibt's natürlich die internen Vorbereitungen: Kleiderwaschen, neue Gewänder nähen, damit wirklich alles passt.
Dorothea: Das sind Arbeiten, die sind alle schon getan, wenn unser Sternsingen in St. Nikolaus startet. Etwa um halb fünf Uhr nachmittags heißt es, Gewänder anziehen, Rollen klären, wer was macht; Kreide , Schwamm und Spendenbox dürfen nicht vergessen werden mit den kleinen Handzetteln, wofür die Sternsinger aktuell unterwegs sind. Und: Es muss natürlich abgesprochen sein, wer wann welche Straßenzüge geht.
Eva: Meist sind zwei Gruppen gleichzeitig unterwegs mit mindestens drei, in der Regel vier Kindern: Kaspar, Melchior und Balthasar, der Sternträger und die Begleitung. Die Gruppeneinteilung ist oft eine recht „dynamische" Angelegenheit, weil immer wieder auch unerwartet weitere Kinder kommen, die spontan mitmachen wollen.

Wie lange seid ihr unterwegs?

Theresa: Das hat sich in den letzten Jahren verändert. Vor zehn Jahren sind wir vom 1. bis zum 6. Jänner gegangen, also sechs Tage. Jetzt sind wir an vier Tagen unterwegs. Mir kommt es vor, dass wir früher viel länger von Haus zu Haus gezogen sind – oft bis abends um halb zehn.
Eva: Eigentlich sind in den letzten Jahren einige neue Häuser dazugekommen, und wir haben gedacht: Sehr gut, viele neue Wohnungen mit potentiellen Spendern! Doch leider wird dort selten aufgemacht. Für die Kinder ein frustrierendes Erlebnis. Sie bleiben vor verschlossener Tür stehen.
Dorothea: Ich war die ersten Jahre in Frankfurt Sternsingerin. Da wird es so organisiert: Wer den Sternsingerbesuch wünscht, meldet sich im Pfarrbüro an oder trägt sich in eine ausliegende Liste ein. Klar gibt's auch Besuche, die spontan zustande kommen, aber ansonsten bist du nur dort, wo man es wünscht.

Ihr steht vor einer Haustür, ihr werdet eingelassen – wie geht's weiter?

Theresa: Freundliche Begrüßung, der Gruß der Sternsinger, ein Lied. Das ist der übliche Ablauf. Eine Situation ist mir ganz besonders in Erinnerung: Eine Frau schaute aus dem Fenster mit der Entschuldigung: „Ich kann nicht aufmachen, ich bin nicht da, kommt später!" Wir sind später gekommen, da hieß es: „Ich stehe unter der Dusche ..." Und dann sind wir tatsächlich noch ein drittes Mal gekommen, die Antwort war: „Kommt lieber nicht mehr, ich sitze in der Badewanne." – Auch stoßen wir auf Menschen, die öffnen ihre Tür, schließen sie aber gleich wieder. Sie wollen nicht, dass wir kommen.
Dorothea: Trotz dieser frustrierenden Erfahrungen halte ich es für gut, wie es hier in Tirol gemacht wird. Das lässt mehr Realität erleben, zeigt mehr Einsatz. Und es macht es noch interessanter. Sonst hat man nur die schönen Besuche. Und es geht nur darum, wie lange man bleibt bei der einen oder anderen Oma oder Familie. Wer bietet uns Tee, wer bietet uns mehr Kekse an? Beim Tiroler Sternsingermodell gibt es mehr Erlebnisse mit Leuten, die wir nicht kennen.
Eva: Immer wieder kommt es auch vor, dass die Türen geöffnet werden und wir gerade mit unserem Sternsingergruß beginnen, da lassen uns die Leute an der Türe stehen, gehen in die Wohnung, reden mit anderen in der Stube. Wir sind mit unserem Auftritt schon längst fertig, da kommen sie wieder und sagen: „Schön war ́s!"
Theresa: Bei manchen Häusern bekommen wir immer Chips und Kekse und Saft. Und wir dürfen die Toilette nutzen.
Dorothea: Es gibt ein älteres Paar, da müssen wir in ihr Gästebuch schreiben. Wir blättern dann zurück und schauen gespannt, was wir im vergangenen Jahr eingetragen hatten oder welche Gruppe hier war.
Eva: Bei einer Frau in der Nikolausgasse ist es Tradition, dass jede Sternsingerin eine Praline bekommt. Und es sind nicht wenige, da spüren wir: Jemand wartet auf uns!

Könnt ihr spontan euren Gruß vortragen?

Dorothea: Seid gegrüßt, ihr lieben Leut ́, wir bringen frohe Botschaft heut ́! Ich bin König Balthasar, ich weiß noch genau, wie ́s damals war: Ein heller Stern zog vor uns her, sein Licht vergess ́ ich nimmer mehr.
Eva: Wir brachtem ihm Geschenke dar, so wie es damals üblich war. Weihrauch, Gold und Myrrhe, sind Geschenke für ein Königskind.
Theresa: Gott braucht euch, braucht dich und mich, zu tun gibt's viel, das sicherlich. So bitten wir euch um eure Gaben für Menschen, die weniger haben. Alle: Viel Glück und Segen im neuen Jahr von Kaspar, Melchior und Balthasar.

Ihr schreibt 20 C+M+B 18 an die Tür.

Theresa: Ja, manche erinnern uns sogar daran! Der Volksmund liest im C + M + B die Anfangsbuchstaben der Drei Könige, nämlich Caspar, Melchior und Balthasar. Wir erklären, wofür diese drei Buchstaben wirklich stehen: „Christus mansionem benedicat. – Christus segne dieses Haus."

Und wie erklärt ihr, was Segen ist?

Wenn jemand spendet, kommt das Kindern in ärmeren Erdregionen zu gute. So schenkt man anderen Menschen Hoffnung. Das ist ein Segen!
Dorothea: Das eigene Zuhause ist dabei ein ganz wichtiger Ort, wo man Segen braucht. Gerade nach Arbeit und Schule haben wir nicht die Energie füreinander. Da ist es schwieriger, das Zwischenmenschliche zu pflegen. Aber gerade diese Beziehungen sind es, die uns zusammenhalten, nicht die Arbeit. Dieses Miteinander findet zuhause statt. Da tut es sicherlich gut, Segen zu wünschen. Das lässt daran denken, dass man das gemeinsame Zuhause hat, um sich zu freuen, es schön zu haben. Wir merken das bei unseren Hausbesuchen, wie bei vielen die „gute Stube" der Mittelpunkt ist. Segen ist dann, wenn wir im feinen Miteinander so Gott, Jesus, Heiligen Geist in der Wohnung spüren.
Theresa: Wenn St. Nikolauser uns die Türe öffnen und wir merken, sie gehören einer anderen Religionsgemeinschaft an, hindert uns das nicht daran, sie zu fragen, ob wir auch ihnen den Sternsinger-Segen weitergeben dürfen. Wir erklären ihnen auch, was der Segen uns bedeutet.

Gibt es ein Sternsingererlebnis, woran ihr euch besonders gut erinnert?

Dorothea und Eva: Klar, zum Beispiel dieses aus dem letzten Jahr: Wir waren mit den zwei kleinsten Sternsingern unterwegs von einem Hauseingang zum nächsten, aber unser Sackerl für die süßen Gaben blieb leer. Immer wieder vertrösteten wir: „Dort, bei diesem Haus bekommen wir bestimmt etwas – aber dann war niemand zuhause oder es gab eben nichts Süßes. Schließlich kamen wir am Hort vorbei und hörten Musik. „Schau ́ ma mal rein?!" – Wir zögerten und sind erst die vielen Stufen hoch zum Haus mit Hirschgeweih. Wieder machte keiner auf. Als wir wieder vor dem Hort standen, gaben wir uns einen Ruck und gingen hinein in der Haltung, schlimmer kann es nicht kommen. Am Ende des Ganges standen wir im Saal und vor uns das Kammerorchester. Sie haben uns mit großen Augen bestaunt und wir sie. „Können wir euch den Sternsingergruß vortragen?" – „Ja, kommt nach vorne!" Viele Spenden haben wir erhalten und von Ehrenplätzen aus durften wir dem eigens für uns aufgespielten Donauwalzer lauschen. Das war edel!
Theresa: Das war nur ein Erlebnis. Uns fallen noch viele ein, gehören aber nicht in den Pfarrbrief, da muss man selbst dabei sein! Die Fragen stellte Diakon Wolfgang.

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