Glocken zum Schwingen und Klingen bringen
Interview mit Karl Munter, Glocken-Charly, Geschäftsführer der Absamer Läuteanlagen, verantwortlich für die Wartung der Höttinger wie auch der St. Nikolauser Kirchenglocken

Am neuen Firmenstandort in Hall treffe ich mich mit Karl Munter und spreche mit ihm über seine Arbeit, die bei ihm Leidenschaft und Beruf in einem ist:
Wie bist du zu dieser Arbeit gekommen?

Das ist eine ganz eigene Geschichte: Ich hab ́ erst Koch und Kellner gelernt, aber mich immer schon fürs Handwerkliche interessiert. Mein Vater war ein Handwerker, meine Brüder auch, doch ich fand hier keinen Lehrplatz, so bin ich erst Koch- und Kellner geworden mit fester Stelle in Seefeld. Im Sommer gab ́s saisonsbedingt keine Arbeit, ich wollte aber Geld verdienen. So arbeitete ich nebenbei bei den Absamer Läute- anlagen. Der Chef hat mich dann gefragt, ob ich nicht bleiben wollte. Und ich bin geblieben und hab ́ die Schlosserlehre gemacht. Ich wechselte dann für einige Jahre zu Glocken Grassmayer. Kam dann wieder zurück, als das Angebot stand, die Absamer Läuteanlagen von Anton Neurauter, vulgo Glocken-Toni, zu übernehmen. Jetzt bin ich seit 10 Jahren selbständig.

Wie groß ist dein Einzugsbereich, in dem du Glocken wartest?

Wir haben Aufträge in ganz Tirol, also in Nord-, genauso wie in Süd- und Osttirol. Auch haben wir Aufträge in Vorarlberg, Kärnten, Salzburg und Bayern, auch im Trentino und ab und zu in Wien. Aktuell gestalten wir dort vier Ziffernblätter neu. Wichtig ist: Wir gießen keine Glocken, aber wir machen alles andere, was die Glocke zum Schwingen und Klingen bringt. Außer uns gibt es nur noch vier weitere Werkstätten in Österreich, die das anbieten. Du musst in der Holzverarbeitung versiert sein. Weiterhin auf Glockenstühle aus Holz zu setzen, hat sich als richtige Entscheidung erwiesen. Du musst Metallarbeiten durchführen können und ebenso dich mit Eltektromotoren und Steuerungen auskennen. Und schwindelfrei bleiben in höchster Höhe, musst du auch noch.

Was fasziniert dich an deinem Beruf?

Ich habe immer wieder mit ganz alten Gewerken zu tun. Bei der Lagertechnik alter Holzjöcher der Glocken beeindruckt mich zum Beispiel, wie gut auch Vorgängermodelle zum heutigen Kugellager funktionieren. Die Technik dieser Modelle geht auf Leonardo Da Vinci zurück, und du kannst sie im Glockenstuhl der Innsbrucker Jesuitenkirche bestaunen. Großartig finde ich auch die moderne Glockentechnik. Seit mehr als dreißig Jahren bin ich Kunde einer belgischen Firma, die elektronische Steuerungen für die Glocken liefert. Auf den Grad genau kann ich einstellen, wie weit die Glocke ausschwingt: Wenn 90 Grad, dann schwingt sie auch 90 Grad. Wenn ́s kalt ist und das Schmierfett „zacher", dann korrigiert das diese Steuerung automatisch, so dass die Glocke tatsächlich weiter 90 Grad ausschwingt.

Die St. Nikolauser Kirche bekam 1893 ihre Glocken. 1914 kam die behördliche Anweisung, sie zur Rüstungsherstellung freizugeben.

Viele Glocken wurden der Rüstungsherstellung geopfert, nicht nur während des Ersten Weltkrieges, auch im zweiten Weltkrieg. Sie wurden mit Nummern versehen und warteten am dem Glockenfriedhof in der Nähe von Bahnhöfen auf ihren Abtransport.

Zum Beispiel auch die St. Nikolaus-, St. Martin- und Florian-Glocke. Sie war gerade erst 1922 neu in den St. Nikolauser Glockenstuhl eingebaut worden. Mit viel Mühe war auf Betreiben von Pfr. August Huter in dieser wirtschaftlich turbulenten Zeit für ihren Guß das nötige Geld gesammelt worden, um sie beim Glockengießer Hamm in Salzburg in Auftrag geben zu können.

Diese Maßnahmen liefen nicht ohne Zwischenfälle. In Absam hatte in der Nacht, bevor die Kirchenglocken abtransportiert werden sollten, ein widerständiger Bauernbub das Stahlseil gekappt. Das hatte strafrechtliche Folgen.

Wie kommen die Glocken in den Glockenstuhl hinein bzw. wieder hinaus?

Der Ein- oder Ausbau der Glocken geschieht über die Schallfenster. Das Mauerwerk zwischen den Fenstern wird abgetragen. So ist die Öffnung breit genug, um über einen Galgen oberhalb der Schallfenster mit Hilfe eines Flaschenzuges die Glocken aufzuziehen oder abzulassen. Höttings Mesner Nobert weiß darüber viel zu erzählen. Er stammt aus einer Mesnerfamilie und hat selbst erfahren, wie es herging, als noch zum Geläut die Glocken mit der Hand gezogen wurden. Höttings Glocken sind aus der Glockengießerei Oberascher mit Sitz in Salzburg wie schon der Glockengießer Hamm.

Was entscheidet über den Klang einer Glocke?

Die Klangqualität hängt zuerst wesentlich vom Material ab: Bronzeglocken sind hier deutlich hochwertiger als Stahlglocken. Sie sind aus einer Mischung von Kupfer und Zinn gegossen. Je weniger sie Zinn enthalten, desto niedriger ist zwar die Gefahr, dass die Glocke einen Riss bekommt, doch ihr Klang ist nicht so rein. Die Größe der Glocke entscheidet über die Tonhöhe. Damit die Glocke ihren vollen Klang entwickeln kann – und der mischt sich aus etwa 50 Tönen rund um einen Grundton – muss der Klöppel den richtigen Anschlagspunkt im Bereich der sogenannten Schärfe treffen. Der Klöppel selbst muss auch die richtige Größe haben. Vom Gewicht her kommt ́s darauf an, dass zwischen Holzjoch, Glocke und Klöppel das richtige Verhältnis besteht. Das Gewicht der größten Höttinger Glocke beträgt 3556 kg , von der Hungerburg und in St. Nikolaus ist es die Christkönigsglocke mit 3 Tonnen.

In allen drei Kirchen ist der Glockenstuhl aus Holz, nicht wie in anderen Kirchen aus Stahl.

Es gab eine Zeit in der Glockentechnik, da war Stahl angesagt: Glocken aus Stahl und auch der Glockenstuhl aus Stahl. Von der Beständigkeit des Materials ist das naheliegend, doch mittlerweile hat sich rundum der Holzglockenstuhl wieder durchgesetzt. In unserer Region ist die Lärche das bewährteste Holz. In Deutschland ist vor allem die Eiche als Glockenstuhlholz verbreitet. Holz dämpft die Schlagkraft, Stahl leitet sie weiter. Ein stählerner Glockstuhl ist wie ein Steinhammer: Er durchschlägt auf Dauer das Mauerwerk, zerstört es.

Du hast mich auf den „Klöppelfänger" aufmerksam gemacht.

Der Tiroler Klöppelfänger ist einzigartig in der Läutekultur. Der Ursprung liegt in einer ganz „weltlichen" Funktion: Glocken dienten in Notlagen wie Feuersbrunst, Unwetter oder Hochwasserkatastrophen der Verständigung. Gerade in den Bergtäler war ́s dann wichtig, dass durch Glockenklangfolgen bzw. -rhythmen angezeigt werden konnte, wo zu Hilfe geeilt werden muss. Dafür wurde ein Läuteplan entwickelt, wie man es zum Beispiel aus Villnöss kennt. Je nach Läutfolge wusste man, ob im Ober-, Unter- oder im sogenannten Außerdorf Not herrscht. Technisch gelöst wurde das durch den „Klöppelfänger". Während die Glocke weiterschwingt, fixiert der Fänger den Klöppel, so dass es zu keinem Geläut kommt. Lässt der Fänger den Klöppel aus, schlägt er sofort wieder an. Dieser Vorzug wurde dann auch fürs Angelus-Läuten genutzt: Bei weiterschwingender Glocke wird das Geläut dreimal für das „Gegrüßt seis du, Maria"-Gebet unterbrochen

Eine bronzene Tafel in der Weiherburggasse in der Nähe des Glockenhauses gegenüber von Schloss Büchsenhausen erinnert an die bekannte Glockengießer-Familie Löffler.

Sie waren vom 15. bis 17. Jahrhundert nicht nur angesehene Glockengießer, begehrt waren besonders ihre Kanonen. Zu welchem Wohlstand sie es brachten, zeigt der Umstand, dass sie sich das Schloss Büchsenhausen als Ansitz errichteten.

Wie geht's dir mit der Glocke?

Ich bin ein Christ. Höre ich beim Begräbnis die Glocke, dann schwingt durch den Klang unsere Trauer durch, ein Weinen. Ist eine Hochzeit, steht ihr Klang für unsere Freude. Das macht die Glocke so besonders! Sie gibt meinem Glauben hörbar Ausdruck.

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